Topografisches Coaching als Methode für Führungskräfte

Wenn wir Probleme lösen, Veränderungen meistern, uns weiterentwickeln, tauchen regelmäßig typische Stationen auf, die wir auf diesem Weg durchlaufen. Das topografische Coaching liefert ein Raummodell, um diesen Lösungsweg zu beschreiben und bietet damit, insbesondere auch für coachende Führungskräfte, einen Orientierungsrahmen. Von einem idealen Ort, Dorado genannt, gelangen wir zunächst in eine verwirrende, fremdartige Rätselzone, vor der wir uns zu schützen versuchen, zunächst provisorisch, danach in einem echten Refugium. Aus diesem brechen wir gestärkt und gereift wieder auf, um schließlich erneut an einen Ort zu gelangen, an dem äußere Bedingungen und eigene Bedürfnisse im Einklang sind.

 

Landkarte des Topografischen Coachings
Landkarte des Topografischen Coachings

 

Zwei Fallbeispiele

 

Der Changeprozess lief wie nach Lehrbuch: Alle Betroffenen wurden einbezogen, konnten „Wunschpositionen“ angeben und in einem äußerst aufwändigen und komplexen Prozess konnte allen Mitarbeitern eine ihrer ersten drei Aufgaben-Prioritäten zugeordnet werden. Dennoch herrscht zunächst große Verwirrung und Verunsicherung. „Jetzt kennt sich keiner mehr aus“; „diese Matrixstruktur ist einfach nur verwirrend;“ „mir fehlt total der Überblick, das macht mir richtig Angst“ – diese und ähnliche Aussagen sind an der Tagesordnung und das Führungsteam ist ebenfalls ratlos: Was hätten wir denn noch tun sollen?“

 

Im Coaching berichtet der Bereichsleiter Peter A. in wütend verzweifelten Tonfall: „Bis Dezember lief alles wie am Schnürchen und dann habe ich eine Abmahnung bekommen, weil mir einmal gegenüber zwei Mitarbeiterinnen der Kragen geplatzt ist und die haben sich dann beim Betriebsrat beschwert.“ Er verstehe die Welt nicht mehr: Warum sich die beiden jungen Mitarbeiterinnen beschwert hätten – schließlich habe er doch immer alles für seine Mitarbeiter getan – auch für die beiden!  Ebenso wenig verstehe er, warum seine Geschäftsführerin, mit der bislang immer alles gut lief, ihm so jäh das Vertrauen entzogen habe.

 

Das Dorado geht verloren

In beiden Fällen ist die heile Welt, das Dorado, in dem alles lief wie geschmiert, verloren gegangen. Was folgt ist innere oder äußere Verwirrung, Verunsicherung, man fremdelt mit der neuen Situation. In einem Fall wurde das Dorado aufgelöst (Umstrukturierung), im zweiten Fall erfolgte die Vertreibung aus dem Dorado aufgrund eigenen Fehlverhaltens.

 

In abgeschwächter Form zeigen sich diese Symptome der Rätselzone übrigens auch bei selbstinitiierten Veränderungen, also einem freiwilligen Verlassen des Dorado. So sagt beispielsweise ein Klient, der ein Transitioncoaching in Anspruch nimmt und im neuen Job extrem gefordert ist, zurückblickend mit einem Anflug von Wehmut: „Eigentlich gab´s keinen Grund für mich den Job zu wechseln, alles hat gestimmt! Ich habe nur keine Entwicklungsperspektive gesehen und mich manchmal schon gelangweilt. Nun, davon kann keine Rede mehr sein- jetzt weiß ich gar nicht, wo ich zuerst anpacken soll!“

 

Als erstes wurde das Raummodell der Veränderung von dem Arzt und Psychotherapeuten Christian Mayer in seinem Buch „Wie in der Psychotherapie Lösungen entstehen“ (Springer, 2016) beschrieben. Ihm war aufgefallen, dass Patienten regelmäßig typische Stationen durchlaufen, um zur Lösung in der Therapie – und vor allem natürlich im Leben – zu kommen. Mayer beobachtete außerdem, dass wir häufig räumliche Bilder verwenden, um Probleme oder psychische Zustände zu beschreiben: Ich fühle mich eingesperrt, im luftleeren Raum, ich habe die Orientierung verloren, sitze in einem goldenen Käfig … Wir beschreiben den Entwicklungsprozess einer Problemlösung offenbar wie „eine Art Reise“ auf einer imaginären Landkarte, bei der bestimmte Stationen angelaufen werden.

 

 

Was wir aus Filmen, Büchern und Märchen lernen können

 

Spannend und inspirierend ist, dass es in der Erzähl- und Filmwissenschaft ebenfalls ein auf Räumen basierendes Modell gibt (Lotmann, 1993). Aber was haben Romane und Filme mit Entwicklungsprozessen und Problemlösungen im Coaching und im wahren Leben zu tun? Mehr als wir denken! „Every complete story is really an analogy for the human mind´s problem solving process“ schreibt der Drehbuchautor Jim Hull 2010 auf seinem Blog: Filme, Märchen, Romane und Erzählungen aller Art sind eine unerschöpfliche Quelle dafür, wie Menschen Probleme lösen (oder auch nicht). Genau das ist es, was uns an diesen Geschichten so fasziniert: Wir lernen welche Probleme uns im Leben begegnen können und wie sie am besten zu lösen sind. Beim Mitfühlen und -leiden mit Film- und Buchprotagonisten erweitern wir also den Schatz an eigenen Lösungsstrategien für unterschiedliche Problemsituationen und besuchen mit dem Helden alle Stationen, die wir selbst ständig durchlaufen. Somit erscheint es nur logisch die Stationen und Räume, die in medial vermittelten Geschichten durchlaufen werden, auf Verläufe und Lösungsprozesse im Coaching zu übertragen. Universell anwendbar wird dieses Raummodell der Entwicklung erst durch den Einbezug von Räumen im übertragenen Sinne. Im topografischen Coaching wird etwa auch eine Beförderung oder eine Reorganisation mit daraus resultierendem neuen Verantwortungsbereich oder veränderten Teamstrukturen als Raumwechsel verstanden. Diese metaphorischen Räume kann man sich in ihrer Gesamtheit als Landkarte vorstellen und sich entsprechend daran orientieren. Abbildung 1 stellt diese Landkarte im Überblick dar.

 

Im topografischen Coaching abstrahieren wir von den jeweils individuellen Erfahrungen und Merkmalen und entdecken prototypische Verläufe und Strukturen. Wir fragen uns nicht mehr primär „wer“ wir sind, sondern „wo“ wir uns in unserer Lösungsgeschichte befinden und ziehen daraus Schlüsse, welche nächsten Schritte anstehen. Dieser universelle Charakter des Raummodells bietet Orientierung, sowohl für den Betroffenen selbst als auch für den professionellen Begleiter oder die Führungskraft.

 

Fremdes, unheimliches Terrain oder die Rätselzone

Flucht und Rückzugsgedanken sind besonders typische Kernbedürfnisse, die fast alle Klienten in dieser Phase (z.B. nach einem Fehlschlag mit ernsten Folgen) äußern. „Am liebsten würde ich mich verkriechen“, sagt der abgemahnte Bereichsleiter Peter A. „Ich fühle mich ausgeliefert“.

Während im Dorado Ordnung, Harmonie und beste Realitätsanpassung herrschen, wird die Rätselzone als fremd, chaotisch und ungeordnet wahrgenommen. In Geschichten, Filmen und Märchen wird dieser topografische Raum häufig als Wald oder gar Dschungel dargestellt. Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald. Es war so dunkel und auch so bitterkalt… Zum ersten Mal betritt man die Rätselzone unmittelbar nach dem Auszug oder der Vertreibung aus dem Dorado. Bei dieser ersten Begegnung fühlt man zunächst überwiegend die Gefahren der Rätselzone, die Trauer um den Verlust des Dorados sowie Verwirrung und Angst angesichts der fremden neuen Situation. Die Desorientierung kann gleichermaßen die Selbstwahrnehmung betreffen (ich erkenne mich selbst nicht wieder), als auch die Außenwelt, in der Gesetzmäßigkeiten, Spielregeln und Strukturen plötzlich gänzlich verändert sind. Meist kommt beides, innere und äußere Verwirrung zusammen und sorgt für einen Zustand großer Verunsicherung. Selbst wenn jemand sonst äußerst entscheidungsstark ist, geht die Zielorientierung in dieser Phase oft komplett verloren

„Ich will einfach nur noch meine Ruhe!“ ist ein weiteres klassisches Statement beim ersten Eintritt in die Rätselphase. Damit wird unbewusst schon der nächste Entwicklungsschritt, das Refugium, antizipiert. Doch davor liegt noch ein Durchgangstadium, das Provisorium.

 

Das Provisorium – Anstrengung im Übergang

„Wir machen uns wirklich Sorgen um Frau M.! Sie arbeitet viel zu viel und – unter uns gesagt – nicht immer effizient – und wird dabei immer dünnhäutiger!“, heißt es beim telefonischen Erstkontakt mit dem Coach.  „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Frau M. zusammenbricht und die Abteilung nicht mehr führen kann. Aber mit Ihr ist einfach nicht zu reden!“

Das Provisorium ist ein Durchgangsstadium in der Entwicklung von oft besonders leistungsorientierten und erfolgreichen Klienten. Das hervorstechendste Merkmal des Provisoriums ist Anstrengung. Der überproportionale Kraftaufwand rührt daher, dass man oft gegen Widerstände und gegen alle Regeln der Vernunft denkt und handelt. Die Gründe dafür sind Angst vor Veränderung und Chaos, also der Rätselzone oder Angst vor der Selbstdemontage im Falle des Scheiterns. Letzteres gilt insbesondere für erfolgsverwöhnte und leistungsorientierte Manager. Außerdem – und das ist typisch für ein extrem erhöhtes Stressniveau – geht die Abstraktions- und (Selbst)strukturierungsfähigkeit verloren. Wie bei Sisyphos wird die Kugel wieder und wieder den Berg heraufgerollt, die kurz vor dem Ziel wieder ins Tal zurückrollt. Wer zu lange in dieser Phase festhängt, läuft Gefahr zum klassischen Burn-Out Kandidaten zu werden.

Es gilt also möglichst umgehend ein Refugium (auf) zu suchen um sich, abgeschirmt vom Dauerfeuer des Alltags, zu erholen und zu sich zu kommen. Erst wenn es gelungen ist einen Überblick über das eigene Leben und die eigenen Bedürfnisse zurückzugewinnen, ist der Klient in der Lage sinnvoll zu handeln oder Entscheidungen zu treffen. Jede Entscheidung oder Handlung zuvor ist blinder Aktionismus und sollte vermieden werden.

Allerdings befinden sich in unserer volatilen, unsicheren und höchst komplexen Welt mehr und mehr Menschen sozusagen im „Dauerprovisorium“, an dem sie als Einzelne(r) wenig ändern können und in dem es eigentlich keinem mehr gelingt, den Überblick zu bewahren. Eine Veränderungs- und Umstrukturierungsinitiative löst die nächste ab und was passieren wird, wenn Großunternehmen tatsächlich agil werden, weiß kein Mensch. Hier schafft das topografische Modell insofern Orientierung als es deutlich macht, dass nach einem persönlichen Schutzraum gesucht werden muss. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass man sich im Arbeitskontext und im Privatbereich durchaus in unterschiedlichen Räumen befinden kann und dies, im Sinne eines Ressourcenausgleichs, genutzt werden kann. Wer in der Arbeitswelt auf absehbare Zeit im Provisorium feststeckt, kann im Privaten im Refugium oder Dorado „auftanken“.

 

Das Refugium oder die Insel der Nymphe Kalypso

„Ich habe mir eine vierwöchige Auszeit genommen und in Neuseeland eine Wandertour gemacht. Danach habe ich klarer gesehen und eine Reihe von Entscheidungen getroffen.“ (Aussage eines Managers im Coaching)

Das Refugium schafft Abstand von allen ungelösten Problemen und hier – und nur hier – kann eine persönliche Entwicklung stattfinden. Zahlreiche Märchen, Mythen und Geschichten greifen das Motiv eines metaphorischen Rückzugsortes auf, als Schutzhöhle, Versteck, Baumhaus, Turm, Burg oder (besonders häufig) als Eiland, umgeben von einer unberechenbaren und gefährlichen See. Ein archetypisches Bild hierfür ist Odysseus auf der Insel der Nymphe Kalypso. Hier erholt sich der Held nach seinen Abenteuern. Obwohl es ihm guttut, aufpäppelt und umsorgt zu werden, kann und will er nicht bleiben. Sein eigentliches Ziel ist seine Heimat Itaka (sein Dorado 2.0) zu dem er weiterziehen will.

Das Refugium sollte also nur ein vorrübergehender Aufenthaltsort sein. Wer geradewegs aus der Rätselzone oder dem Provisorium kommt, benötigt zunächst einen sicheren Rückzugsraum. Das primäre Bedürfnis ist es, sich auszuruhen. Mit zunehmender Erholung lassen sich die Dinge mit Abstand betrachten und es entstehen erste Ideen darüber, was in Zukunft sein sollte und was nicht. Gestärkt und ausgestattet mit neuen Ideen findet der zweite Aufbruch in die Rätselzone statt um in das Dorado 2.0 zu gelangen, einem mit dem Ausgangsraum vergleichbaren Idealzustand. Das Coaching, als geschlossener Reflektionsraum mit Diskretionsregeln und einem ruhigen Begleiter an der Seite, wird von Klienten ebenfalls durchgängig als Refugium empfunden und genutzt.

 

Hilfe, ich stecke fest!

Gelegentlich passiert es einem Klienten, dass er sozusagen im Refugium steckenbleibt, die weitere Entwicklung versperrt ist und dies als Frustration und Stagnation erlebt wird.

 

Leonie P. ist seit 15 Jahren im Produktmanagement und hat, eher unfreiwillig, drei Jahre pausiert, als sie ihren Mann während seiner Expatriattätigkeit in die USA begleitet hat. „San Francisco war toll, aber ich habe schlichtweg unterschätzt, wie schwierig es für mich sein würde, dort eine adäquate Position zu finden.“ Und beim Wiedereinstieg musste sie sich „vorübergehend, hieß es - und jetzt sind es fast 6 Jahre!“ mit einer niedrigeren Funktionsstufe zufriedengeben. Zunächst war sie froh, überhaupt wieder im Produktmanagement unterzukommen und sich in Ruhe fachlich auf den neuesten Stand bringen zu können. Nach zahlreichen nationalen und internationalen Projekten und zwei Sidesteps fühlte sich aber wirklich reif für die Umstufung sowie eine Führungsaufgabe. Bei jedem Midyear oder Endyear Review wurde ihr erneut signalisiert, dass sie noch diese Extrameile gehen und jenes innovative Projekt übernehmen sollte, um ihre „Visibilität zu erhöhen“ und ihr Profil wahlweise „zu schärfen“, „abzurunden“ oder „neu zu justieren“. Diesmal konnte sie beim Beurteilungsgespräch wenigstens ein Coaching herausschlagen und möchte mit dem Coach eine Strategie entwickeln, die sie aus der Endloswarteschleife herausführt.

 

 

Der Resonanzraum, oder das Märchen vom hässlichen Entlein

Meist landet man „am Ende der Geschichte“ in einem mit dem Ausgangsraum vergleichbaren Zustand, idealerweise auf einem höheren Niveau oder persönlichen Entwicklungslevel. Eine Variante dieser zirkulären Bewegung und damit eine Alternative zum Dorado 2.0 ist der Resonanzraum. Hier findet man, ohne sich selbst ändern zu müssen, einen Platz, der optimal zu den eigenen Fähigkeiten oder Bedürfnissen passt.

 

Ein perfektes Beispiel dafür ist das Märchen vom hässlichen Entlein des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen, in dem ein Schwanenei von Enten ausgebrütet wird. Der junge schwarze Schwan wird aufgrund seiner Andersartigkeit verspottet, gebissen und gehackt. Infolgedessen läuft das „hässliche Entlein“ davon, gerät auf der Flucht in eine unbekannte, ja lebensbedrohliche Moorwelt (Rätselzone) und findet schließlich Unterschlupf in einer Bauernhütte. Es verlässt dieses Refugium, begibt sich ein zweites Mal auf die Reise und stößt (nach weiteren Abenteuern) schließlich zu den Schwänen, die es freudig als ihresgleichen begrüßen. Es ist im Resonanzraum angelangt, in dem es, ohne weitere Anpassungsversuche einfach dazugehört und so sein darf, wie es ist.

 

Manchen Menschen ist voll bewusst, dass sie sozusagen „im falschen Film“ sind, oder psychologisch korrekter ausgedrückt, sich in einer Position befinden, die nicht zu ihren Fähigkeiten oder Bedürfnissen passt. Der Fachspezialist Paul K., der auf einer Projektleitungsposition mit extrem vielen Schnittstellen sitzt, schildert es so:
„Als mir die Aufgabe angeboten wurde, hatte ich größte Bedenken, aber habe dann doch zugesagt. Sofort habe ich das bitter bereut und bin zwei Tage später zu meinem Bereichsleiter marschiert um meine Zusagen zu revidieren. Er hat gesagt, dass er auf meine Fachexpertise in dieser schwierigen Projektkonstellation nicht verzichten kann und gefragt, ob er auf mich zählen kann. Leider habe ich Ja gesagt – und seither schlafe ich keine Nacht mehr.“

 

Andere Klienten leben schon sehr lange ein falsches Selbst. Sie erfüllen vielleicht von Kindesbeinen an einen Auftrag der Eltern (Schau mal, der Schnitt reicht doch für Medizin! Da würde ich mir das Musikstudium aber schon noch mal überlegen…) oder haben seit Jahren anderen zuliebe Karriere wider Willen gemacht. Häufig führt erst die völlige Erschöpfung oder Überlastung, oder ein Rauswurf (durch die Enten) zu einer Umorientierung.

 

Der Vorgesetzte als topografischer Coach

Mit dem topografischen Coaching legen wir ein Orientierungsmodell vor, dass insbesondere auch für coachende Führungskräfte geeignet ist. Sie können anhand des Modells sehr gut ableiten, welche Coachingaktivitäten ihrerseits hilfreich sind und wann sie ihrem Mitarbeiter besser einen professionellen Coach zur Seite stellen. Im Folgenden sind die Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen des Vorgesetztencoachings in den einzelnen Stationen kurz und exemplarisch zusammengestellt.

Dorado

z.B. Der Mitarbeiter arbeitet gut, realitätsangepasst und motiviert.

Regelmäßiges Feedback geben ist hier hilfreich und geradezu eine Vorgesetztenpflicht, ebenso wie das gut vorbereitete Führen von Review- und Zielvereinbarungsgesprächen. Da der Vorgesetzte seinen Mitarbeiter (in der Regel) im Alltag gut beobachten kann, ist sein wertschätzendes, konkretes und entwicklungsorientiertes Feedback ungemein wertvoll. Besonders realitätsangepasst arbeitende Mitarbeiter werden leider oft weniger mit Aufmerksamkeit bedacht, als (aus Sicht des Vorgesetzten) „Minderleister“ oder „Störenfriede“. Hier kann ein Selbstreflektionstool ausgleichend wirken und dem Chef in seinem Führungsverhalten als Früherkennung möglicher Störungen beim Mitarbeiter leisten (vgl. Harss 2009).

 

Rätselzone/Provisorium

 

z.B. Der Mitarbeiter wirkt verunsichert, wenig realitätsangepasst, ineffizient oder verausgabt sich völlig.

 

Hier ist Vorsicht und Zurückhaltung in der Coachrolle geboten, denn nicht selten ist der Vorgesetzte selbst Auslöser der Verwirrung und Verunsicherung oder, im Falle eines schwierigen Chanceprozesses, ebenfalls betroffen. In anderen Fällen sollte dezent Unterstützung signalisiert werden. Bei ernsten gesundheitlichen Problemen, massiven Fehlern oder Alkoholproblemen ist Schluss mit der vornehmen Zurückhaltung. Hier greift die Führsorgepflicht und professionelle Hilfe (z.B. Betriebsarzt, Personalabteilung, Gesundheitsbeauftragte) sollten vom Vorgesetzten konsultiert werden.

 

Refugium

 

z.B. Der Mitarbeiter blockt Neues ab, zieht sich in Routinearbeiten zurück.

 

Hier kann Coaching durch den Vorgesetzten oder auch Mentoring äußerst hilfreich sein, wenn es darum geht, die Komfortzone zu verlassen. Wie das folgende Beispiel zeigt, gelingt es dem Mitarbeiter durch Fragen der Vorgesetzten neue Perspektiven zu entwickeln. „Ich habe gerade einen sehr erfahrenen Mitarbeiter vor Augen. Er kennt sich auf seinem Gebiet sehr gut aus, ist engagiert unterwegs, allerdings in vielerlei Hinsicht auch eingefahren und wenig flexibel. Ich habe noch weiteres Potential bei ihm gesehen und führe ihn coachingorientiert. Wenn er beispielsweise etwas erarbeitet stelle ich Fragen: „Wie können wir das noch darstellen?“  „Wie ist der Diskussionstand in der Abteilung X?“. Das hat inzwischen einen hohen Reifegrad, der Mitarbeiter wird im Umfeld jetzt sehr geschätzt - und darüber selber happy!“

Ressonanzraum

Auf der Suche nach einem Ressonanzraum (innerhalb des Unternehmens!) kann der Vorgesetzte hervorragend unterstützen bzw. dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter nicht in Dissonanz geraten. Falls ein (funktionierendes) Talentmanagementsystem vorhanden ist, gilt es dieses zu nutzen. Die Ergebnisse von Orientierungsworkshops oder Developmentcenter sollten konkrete Anregungen, auch für das Vorgesetztencoaching, enthalten. Die leider immer noch in vielen Unternehmen bestehende zwei-Klassen Gesellschaft zwischen General Management Funktionen und Fachkarrieren, trägt dauerhaft dazu bei, dass hochbegabte Fachkräfte auf der falschen Party landen. So lange diese Ungleichheit besteht, kann ein Chef bewusst in seinem Team für Wertschätzung und Einbezug der Fachexperten sorgen.

 

Hull, J., Storyfanatic – A journal of meaningful story structure, Verfügbar unter: http://narrativefirst.com/store (22.3.2017)

Lotmann, J. (1993). Die Struktur literarischer Texte (6. Aufl.). Paderborn: Wilhelm Fink.

Mayer, C. (2017). Wie in der Psychologie Lösungen entstehen. Ein Prozessmodell mit Anregungen aus der Literatur- und Filmwissenschaft. Berlin, Heidelberg: Springer

Von Schumann, K. & Böttcher, T. (2016). Coaching als Führungsstil. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

 

Von Schumann, K. & Harss, C. (November 2017). Einführung in das topografische Coaching. Wiesbaden: Springer Fachmedien.