Achtsamkeit - hilfreiche Grundhaltung für das Mitarbeitercoaching

Achtsamkeit (engl. Mindulfness) wird von dem bekannten Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn als „eine Form der Aufmerksamkeit (definiert), die sich auf den gegenwärtigen Moment bezieht und diesem, ohne zu werten, gegenüber steht“. Achtsamkeit ist also das Gegenteil von Multitasking, bedeutet das was ich tue, bewusst zu tun, ganz bei der Sache zu sein und auch das „Kopfkino“ abzuschalten. Achtsamkeit ist in den letzten Jahren im Mainstream der westlichen Gesellschaft angekommen und hat Einzug in die Managementliteratur gefunden. Wenn Sie diese Fähigkeit praktizieren bzw. (wieder)erlangen, führt das zu einem intensiveren Erleben und zu Präsenz, die Sie fühlen – und auch ausstrahlen.

 

Was bedeutet Achtsamkeit im Gespräch?

 

Achtsamkeit im Mitarbeitercoaching zu praktizieren, bedeutet, nicht reflexartig zu reagieren, sondern erst einmal einen Schritt zurückzutreten und die passende kommunikative Reaktion zu erwägen. Diese sog. Impulsdistanz (vgl. Romhardt 2013) ermöglicht es dem Coach, eine Aussage des Coachees nicht aufgrund eigener, momentaner Gefühle oder Interessen zu interpretieren, sondern die Antwort wohlüberlegt zu formulieren.

 

Wer achtsam kommuniziert, nimmt die innere Haltung des Anfängergeists ein. Im Anfängergeist zu kommunizieren bedeutet, in jeder Gesprächssituation so neugierig und konzentriert zu sein, als erlebe man diese Situation das erste Mal. Üblicherweise sind Interaktionen von Führungskräften in Meetings oder Gesprächen von Routine geprägt – aufgrund von Häufigkeit und Dauer dieser Regelkommunikation im Alltag einer Führungskraft erscheint das unvermeidlich. In Mitarbeitercoaching ist es wichtig, nicht „in Gedanken woanders“ oder „noch nicht ganz da“ zu sein. In einer achtsamen Gesprächshaltung wird eine authentische Präsenz im Gespräch vermittelt, wodurch sowohl die Effizienz als auch die Bindungsqualität steigen.

 

Extralosigkeit (vgl. Romhardt 2013) bedeutet, sich ganz auf den Kern einer Sache zu konzentrieren – ohne ergänzende oder begleitende Gefühle, Gedanken, Szenarien oder Assoziationen, die vom Wesentlichen ablenken. Wenn Sie als Führungskraft mit dieser Haltung zuhören, vermitteln Sie Interesse am Anliegen, was beim Gesprächspartner Motivation und Kreativität freisetzt. „Als Mensch gesehen werden“ ist für viele Mitarbeiter ein wesentlicher Indikator für eine gute (Coaching-)Beziehung zur Führungskraft. Die innere Freiheit und Entspannung im Gespräch wächst erst, wenn die Beteiligten im Gespräch loslassen können. So wird zwar ein Ziel definiert, jedoch gleichzeitig werden ganz neue Aspekte wahrgenommen und kreative Lösungen gefunden.

 

Beispiel aus dem Seminar „Coaching durch die Führungskraft“:

 

„In der Regel weiß ich schon nach wenigen Sätzen, was meine Mitarbeiter sagen wollen und wenn sie falsch liegen, dann unterbreche ich sofort und stelle die Sache richtig. Entsprechend kriege ich die Rückmeldung, ungeduldig und kritisch zu sein“, beschreibt Chris sein Kommunikationsverhalten. “Ich weiß nicht, ob ich so ein guter Coach sein kann?  Obwohl, andererseits bin ich dafür bekannt, voll und ganz hinter meinem Team zu stehen und meine Mitarbeiter absolut zu fördern und weiterzuentwickeln.“ Im Seminar üben wir achtsame Gesprächsführung: Einfach nur beobachten, ohne gleich zu bewerten, dabei aber hochkonzentriert und fokussiert die verbalen Äußerungen und die nonverbalen Signale wahrzunehmen. Und nicht sofort die eigene, möglicherweise anderslautende Meinung zu äußern. Die Umsetzung in der Kommunikationsübung –  Chris führt ein Coachinggespräch – funktioniert perfekt. Das positive Feedback von Trainern und Teilnehmenden anzunehmen, fällt ihm dagegen schwer. „Ich habe mich komisch gefühlt, echt ungewohnt, viel zu passiv“. Die Videoaufzeichnung der Übung ist hochspannend für ihn, bemerkt er doch einen deutlichen Unterschied zwischen Selbstbild in der Übung und dem, wie er sich von außen wahrnimmt. „Stimmt, das wirkt sogar souverän, dauert halt etwas länger, aber am Ende habe ich tatsächlich das Commitment des Rollenspiel-Mitarbeiters erhalten.“ Im zweiten Seminarmodul berichtet Chris, dass er achtsame Kommunikation nicht nur in Einzelgesprächen, sondern auch in verschiedenen Meetings angewendet hat. „Und das war echt gut! Ich habe nicht sofort meinen Standpunkt vertreten, sondern erst mal die anderen reden lassen. Interessanterweise kamen dann unterschiedliche Argumente von verschiedenen Seiten, teilweise haben Teammitglieder meine Rolle des Advocatus Diaboli übernommen. In einem Fall sind wir zu „meiner“ schon von Anfang an präferierten Lösung gekommen, nur dass alle das Gefühl hatten, dass es Ihre eigene Idee war. In einem anderen Fall ist ein Kompromiss entstanden, mit dem ich auch gut leben kann und den meine Mitarbeiter für sehr kreativ halten und entsprechend motiviert umsetzen.“

 

Hinweise für achtsame Gesprächsführung im Mitarbeitercoaching:

 

  • Halten Sie inne und sammeln Sie sich. Atmen Sie einige Atemzüge tief und bewusst ein und aus
  • Schauen Sie hin. Nehmen Sie Haltung, Mimik, Gefühlsausdruck der Mitarbeiter bewusst wahr. Stichwort „einfach nur beobachten – nicht gleich werten“
  • Hören Sie zu. Nehmen Sie bewusst wahr, was der Mitarbeiter sagt und auf welche Weise, mit welcher Tonlage er spricht. Wenn Sie nachfragen, stellen Sie offene, neugierige Fragen (Anfängergeist einsetzen).
  • Aktivieren Sie Ihren inneren Beobachter. Nehmen Sie Ihre eigenen Gedanken, Gefühle oder Bewertungen wahr. Erkennen Sie diese, ohne sich von ihnen zu vorschnellen Reaktionen verleiten zu lassen. So strahlen Sie Ruhe und Gelassenheit aus.

Selbsttest Achtsamkeit im Alltag

 

Vielleicht möchten Sie anhand des folgenden Fragebogens einen Selbsttest in Sachen Achtsamkeit machen?

 

Instruktionen: Unten finden Sie eine Sammlung von Aussagen zu tagtäglichen Erlebnissen. Bitte geben Sie mittels der Skala von 1 bis 6 an, wie häufig oder selten Sie derzeit jedes dieser Erlebnisse haben. Bitte antworten Sie so, wie Sie diese Dinge derzeit wirklich erleben und nicht, wie Sie denken, dass Sie die Dinge erleben sollten. Bitte behandeln Sie jede Aussage unabhängig von den anderen Aussagen.

 

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Fast Immer

Sehr häufig

Eher häufig

Eher selten

Sehr selten

Fast nie

 

 

Ich könnte ein Gefühl haben und

mir dessen erst irgendwann später bewusst werden.

 

 

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Ich zerbreche oder verschütte Dinge aus Achtlosigkeit, ohne den Dingen Aufmerksamkeit zu schenken oder weil ich an anderes denke.

 

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Ich finde es schwierig, auf das konzentriert zu bleiben, was im gegenwärtigen Augenblick passiert.

 

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Ich neige dazu, schnell zu gehen, um dorthin zu kommen, wo ich hingehe, ohne darauf zu achten, was ich unterwegs erlebe.

 

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6

Ich neige dazu, Gefühle körperlicher Anspannung oder Unwohlsein nicht wahrzunehmen, bis sie meine Aufmerksamkeit vollständig in Anspruch nehmen.

 

 

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Ich vergesse den Namen einer Person fast sofort nachdem er mir erstmals gesagt wurde.

 

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Es sieht so aus, als würde ich “automatisch funktionieren”, ohne viel Bewusstsein für das, was ich tue.

 

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Ich hetze durch Aktivitäten, ohne wirklich aufmerksam für sie zu sein.

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Ich bin so auf das Ziel konzentriert, das ich erreichen möchte, dass ich den Kontakt dazu verliere, was ich hier und jetzt

tue, um dieses Ziel zu erreichen.

 

 

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Ich erledige Aufträge oder Aufgaben automatisch, ohne mir bewusst zu sein, was ich tue.

 

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Ich bemerke, wie ich jemandem nur mit einem Ohr zuhöre, während ich gleichzeitig etwas Anderes tue.

 

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Ich fahre zu Orten wie von einem “Autopiloten” gesteuert und frage mich dann, wie ich dorthin gekommen bin.

 

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Ich bemerke, dass ich gedankenverloren der Zukunft oder der Vergangenheit nachhänge.

 

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Ich merke, wie ich Dinge tue, ohne auf sie zu achten.

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Ich esse eine Kleinigkeit, ohne mir bewusst zu sein, dass ich esse.

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Summe Ihrer Antworten: __________

 

Durchschnitt (Summe/15):__________________

 

Auswertung:

 1 - 3: Sie tendieren dazu, Ihren Alltag und Ihre Umwelt an sich vorbeiziehen zu lassen ohne Sie bewusst wahrzunehmen. Versuchen Sie doch, sich einige Momente (beispielsweise mehrfach am Tag im Rahmen von kurzen Pausen oder in einer bestimmten Situation) komplett auf Ihre Umwelt einzulassen und diese und sich selbst bewusst zu erleben.

 

4 - 5: Sie sind bereits auf einem guten Weg zu einer achtsamen Haltung und sind sich ihrer Umgebung meist sehr bewusst. Bleiben Sie auf diesen Weg und versuchen Sie diese Grundhaltung nicht nur zu bestimmten Zeiten einzunehmen, sondern diese auch mehr in Ihren Alltag und ihr Arbeitsleben zu integrieren und immer wieder einfließen zu lassen.

 

6: Sie gehen mit Achtsamkeit durchs Leben und haben eine bewusste Wahrnehmung ihrer Umgebung in fast alle Lebenssituationen integriert. Seien Sie sich dieser Stärke bewusst und setzen Sie künftig gezielt beispielsweise in Ihre Mitarbeitercoachings ein.

 

Literatur

 

Romhardt, K. (2013). Müheloseres Management durch Achtsamkeit oder was Change Manager vom Buddhismus lernen können. Organisationsentwicklung 2, S. 13-17.

 Von Schumann, K. (2015). Management by Mindfulness. Blog. http://www.management-by-mindfulness.de/ .

 Von Schumann, K. & Goldstein, C. (2014). Achtsamkeit im Coaching – Teil 1 und 2. Selbstwirksam durch eine komplexe Unternehmenswelt navigieren. Rauen Coaching Newsletter 3/2014 und 4/2014.

 

Die Autorin: Karin von Schumann
Die Autorin: Karin von Schumann

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