Loyalitätskonflikt?  - Wie sich das eigene Loyalitätsgefühl auf das Coaching auswirken kann

Ein wichtiger Faktor in der Beziehung zwischen Coachee und Coach ist die Loyalität zum Unternehmen. Natürlich haben eine coachende Führungskraft und ihr Mitarbeiter den gleichen Arbeitgeber. Damit verbunden sind ähnliche innerbetriebliche Konflikte, Veränderungen oder politische Entwicklungen. Dies kann zu einem Verbundenheitsgefühl beitragen, aber auch Konfliktpotential in sich bergen – vor allem wenn die Loyalität zum Unternehmen unterschiedlich ausgeprägt ist. Denn jeder nimmt die Entwicklungen und das Unternehmen auf seine individuelle Art und Weise wahr und verbindet eine andere Geschichte mit dem Unternehmen.

 

 

Was bedeutet eigentlich Loyalität?

 

 

Loyalität bezeichnet letztlich ein Gefühl von Zuverlässigkeit und Anständigkeit gegenüber dem eigenen Unternehmen, dem man sich zugehörig und emotional verbunden fühlt. Das Unternehmen kann sich bei einer hoch ausgeprägten Loyalität auf den Mitarbeiter „verlassen“. Ein loyaler Mitarbeiter handelt im Sinne des Unternehmens, ist interessiert an den Zielen und der Zielerreichung des Unternehmens und vertritt dessen Interessen positiv nach außen. Loyalität zeigt sich auch im Beachten von Regeln und Rahmenbedingungen sowie in der emotionalen Verbundenheit zum Unternehmen und seinen Mitgliedern. Überlegen Sie auf Basis der Beschreibung einmal für sich: Wie würden Sie Ihre eigene Loyalität zu Ihrem Unternehmen einschätzen? Bei welchen Punkten finden Sie sich wieder und wo stimmen Sie weniger überein?

 

Ihre eigene Loyalität entsteht natürlich dadurch, welche Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen Sie mitbringen. Aber auch zu einem nicht unwesentlichen Teil durch die Erfahrungen, die Sie innerhalb der Organisation machen. Welche Führungskräfte haben Sie geprägt? Welche Leitbilder gibt es in Ihrem Unternehmen? Welche Unternehmenskultur wird hier vorgelebt? Natürlich ist das eigene Loyalitätsgefühl nicht statisch sondern in einem ständigen Wandel durch die Veränderungen, Umstrukturierungen und wechselnden Bezugspersonen im Unternehmen. Wie hat sich ihr Loyalitätsgefühl in den letzten Jahren entwickelt?

 

 

Loyalität in der Beziehung zwischen Coach und Coachee

 

 

Ein Coaching kann zunächst aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln wahrgenommen werden. Haben Sie sich schon einmal gefragt, welche Gefühle das Coaching bei Ihrem Coachee auslösen kann? Im besten Falle freut sich Ihr Mitarbeiter über die besondere Aufmerksamkeit und sieht das Coaching als Chance zu Austausch und Weiterentwicklung und einer verstärkten individuellen Förderung. Dennoch kann ein Coaching auch anders interpretiert werden: Meine Führungskraft ist der Meinung, ich hätte ein Coaching nötig… Was bedeutet das für mich? Denkt sie, ich könnte meine Arbeit nicht allein schaffen? Bin ich so unfähig?

 

Selbst wenn diese Interpretation nur in den wenigsten Fällen intendiert ist, sollten Sie sie im Hinterkopf behalten. Denn in der letzten Konsequenz kann diese Wahrnehmung einen Einfluss auf die Loyalitätsgefühle Ihres Coachees Ihnen und dem Unternehmen gegenüber haben. Während die wertschätzende und entwicklungsbasierte Interpretation sicherlich eine gesteigerte Loyalität nach sich zieht, könnte eine defizitorientierte Interpretation eher das Gegenteil zur Folge haben.

 

 

Loyalität als Einflussfaktor auf den Erfolg des Coachings

 

 

Eine unterschiedlich stark ausgeprägte Loyalität zum Unternehmen birgt ein hohes Konfliktpotential in sich. Ist beispielsweise der Coach, also Sie als Führungskraft, stark mit dem Unternehmen verbunden und möchte die Ziele des Unternehmens unterstützen, Ihr Mitarbeiter ist allerdings im Rahmen des Coachings lediglich an der persönlichen Entwicklung (gerne auch in einem anderen Unternehmen) interessiert, birgt dies ein Risiko.

 

An dieser Stelle ist es wichtig, die eigene Integrität nicht zu verraten. Vor allem wenn der Coachee Probleme oder eigene Schwächen den Rahmenbedingungen im Unternehmen zuschreibt, kommen Sie in eine schwierige Situation. Denn die wichtigste Voraussetzung für das Coaching, die der kritischen Selbstreflexion, ist an diesem Punkt nicht mehr gegeben. Nur wenn der Coachee bereit ist, eigene Verhaltensweisen zu beleuchten, kann das Coaching gewinnbringend sein.

 

In diesem Moment ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Mitarbeiter essentiell. Während der Mitarbeiter die Führungskraft im ersten Moment nur als Vertreter des Unternehmens wahrnehmen mag, kann Vertrauen zu einer Öffnung für Reflexion beitragen und so mögliche Interventionen begünstigen. Dem Coach sollte es gelingen, zunächst das Loyalitätsthema zur Seite zu schieben und effektiv und unterstützend mit dem Coachee zu arbeiten. Durch diese positiven Erfahrungen, die ja in diesem Moment innerhalb des eigenen Unternehmens geschehen, könnte der Coachee seine Meinung ändern.

 

Natürlich kann sich diese Ungleichheit ebenso in der anderen Richtung ausdrücken. Ihre Loyalität dem Unternehmen gegenüber hat – sei es durch schlechte Erfahrungen, Langeweile etc. – etwas nachgelassen. Im Coaching sitzt Ihnen dann aber ein höchstmotivierter, junger Mitarbeiter gegenüber. Wie kann man in solch einem Fall die eigene Lebenserfahrung – und im schlechtesten Fall Desillusionierungserfahrung – gewinnbringend einsetzen?

 

Die eigene Haltung zum Unternehmen sollte in diesem Fall das Coaching keinesfalls dominieren. Der wichtigste 1. Schritt liegt in der bereits Eingangs gestellten Frage: Wie würden Sie Ihre eigene Loyalität einschätzen? Um sicher zu sein, dass Sie das Coaching nicht unbewusst beeinflussen, ist diese Klärung essentiell.

 

Im Coaching stellt sich dann die Problematik der gemeinsamen Zielfindung. Während der Coachee möglicherweise die Ziele der Organisation voll und ganz unterstützt und sich entsprechend entwickeln möchte, haben Sie selbst den Glauben an diese Ziele verloren. Schlimmstenfalls würden Sie durch Ihre Haltung den Coachee von seinen Zielen abbringen.

 

Sie müssen hier für sich entscheiden, ob Sie in der Lage sind, dieses Unterschiede professionell auszuhalten und beiseite zu lassen oder ob das Coaching beendet werden sollte. Wenn Sie fähig sind, professionell mit der Situation umzugehen, kann diese Konstellation jedoch auch einen Vorteil bieten: durch Ihre innere, kritische Distanz können Sie dem Coachee neue Blickwinkel eröffnen. Wenn Sie Ihre Erfahrungen konstruktiv und reflektiert vermitteln, kann Ihr Coachee durch neue Erfahrungen und Überlegungen profitieren.

 

 

Problematiken bei ähnlichen Loyalitätsgefühlen

 

 

Doch auch eine hoch ausgeprägte Loyalität oder besonders niedrig ausgeprägte Loyalität beider Parteien birgt Risiken in sich. Hohe Loyalität beider Seiten stellt zunächst eine gute Grundlage für ein produktives, motiviertes und engagiertes Coaching dar. Sie werden beide versuchen, die Ziele des Coachings im Sinne des Unternehmens zu gestalten. Problematisch könnte hier jedoch eine gewisse „Betriebsblindheit“ sein – suboptimale Rahmenbedingungen und strukturelle oder politische Probleme, die unter Umständen wichtigen Einfluss auf die Themen des Coachings haben, werden ausgeblendet. Sicherlich bezieht sich ein großer Teil der Entwicklung und Verbesserung in einem Coaching auf den Coachee selbst wie beispielsweise die Entwicklung der eigenen Führungsfähigkeit. Doch wenn katastrophale Rahmenbedingungen übersehen und stattdessen nicht vorhandene Schwächen der Person thematisiert werden, ist das Coaching wenig erfolgreich. Versuchen Sie in diesen Situationen, ihre persönliche Unabhängigkeit und eine kritische Distanz zu wahren. Machen Sie sich die möglichen Konsequenzen bewusst. Behalten Sie das Interesse des Unternehmens hier ebenso wie das Interesse Ihres Mitarbeiters im Blick und halten Sie einen gesunden Abstand zu beiden.

 

Natürlich ist auch ein niedriges Loyalitätsgefühl beider mit Schwierigkeiten verbunden. Zunächst könnte das Gefühl von Verständnis und Verbundenheit relevant sein. Dennoch ist ein Vergleichen und Beharren auf den Schwächen der Organisation auf Dauer keine lösungs- und entwicklungsorientierte Perspektive. Dem Coachee ist es an dieser Stelle vorbehalten im Coaching das eigene Leid zu klagen – der Coach sollte immer eine professionelle Haltung einnehmen. Versuchen Sie vor allem, nicht Ihre eigenen negativen Erfahrungen auf Ihren Mitarbeiter zu übertragen.

 

 

Was können Sie also tun?

 

 

Setzen Sie sich zunächst mit Ihrer eigenen Loyalität auseinander. Reflektieren Sie, gehen Sie in sich und überlegen Sie vor allem, wie sich Ihre Einstellung auf das Coaching auswirkt. Versuchen Sie im nächsten Schritt, Ihre eigene Haltung im Coaching zu trainieren. Als soweit möglich neutrale, professionelle und reflektierte Person können Sie möglicherweise nachhaltigere Vorschläge machen, als wenn Sie sich von der eigenen Begeisterung bzw. der eigenen Enttäuschung gefangen nehmen lassen und diese nach außen transportieren.

 

Welche Schritte fallen Ihnen noch ein? Wie ist Ihre Meinung zum Thema Loyalität im Coaching? Wir sind gespannt auf Ihre Ideen und Erfahrungen.

 

Für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema lesen Sie Ulrike Steiners Artikel aus dem Jahr 2015 „Der gemeinsame Arbeitsgeber. Wie wirkt sich die Loyalität zum Arbeitgeber auf das interne Coaching aus.“

 

Die Autorin: Tamaris Böttcher
Die Autorin: Tamaris Böttcher