Tamaris Böttcher im Interview mit Johanna Faust

Johanna Faust, Interhyp AG
Johanna Faust, Interhyp AG

Johanna Faust

Referentin Personalentwicklung

Interhyp AG

 

TB: Welche Rolle spielt Coaching in Ihrem Unternehmen?

 

JF: Coaching spielt tatsächlich eine wichtige Rolle, da es ein maßgeblicher Bestandteil der Integration neuer Mitarbeiter im Unternehmen ist. Schon im Rahmen des Onboardings werden die Mitarbeiter fachlich fit gemacht. Coaching wird dann aber auch gezielt im weiteren Verlauf eingesetzt, um die Mitarbeiter zu begleiten z.B. im Bereich Kundenkommunikation. Zum Großteil arbeiten wir hier mit internen Coaches, weil es hauptsächlich um fachliche Themen geht. Wir führen auch Trainings durch, in denen den Führungskräften vermittelt wird, wie sie wiederum mit ihren Mitarbeitern Training-on-the-Job durchführen können.

TB: Gibt es auch eine „inoffizielle“ Art von Coaching?


JF: Auf jeden Fall. Was ich gerade erzählt habe, ist sozusagen institutionalisiert. Abgesehen davon steht der Mensch in unserer Führungskultur im Mittelpunkt. Die Führungskräfte selbst sind eng an den Mitarbeitern dran und der Fokus liegt auf der persönlichen Entwicklung. Das Thema Training-on-the-Job würde ich auch dazuzählen. Hier sind Führungskräfte in einem Eins-zu-eins-Setting mit dabei, sitzen in der Praxis einfach einmal daneben, hören zu, schauen zu und geben entsprechend Feedback. Hier geht es um den regulären Arbeitsalltag. Unabhängig davon gibt es im Rahmen der regelmäßigen Einzelgespräche immer einen Bereich zum Thema Entwicklung: Wie ist es mit deiner persönlichen Entwicklung? Wo möchtest du ihn? Wie kann ich dich dabei begleiten? Was sind wichtige Themen für dich? Woran wollen wir noch arbeiten?


TB: Haben Sie diese Art von Coaching auch selbst schon einmal erlebt?


JF: Allerdings, vor allem in meiner aktuellen Position. Man wird von Anfang an sehr eng von seiner Führungskraft belgeitet, sodass die Führungskraft weiß, wo man steht und an welchen Themen man noch arbeiten möchte. Die Führungskraft hat dadurch auch eine gute Einschätzung über die Kompetenzen, Ziele und Fortschritte des Mitarbeiters. Neben den regelmäßigen Gesprächen, sind auch die halbjährlichen Mitarbeitergespräche eine gute Gelegenheit, um anhand einer Kompetenzmatrix Feedback zu erhalten und gemeinsam konkrete Schritte zu vereinbaren.


TB: Arbeiten Sie in den regelmäßigen Gesprächen auch an konkreten Themen mit Ihrer Führungskraft?


JF: Ja, ich fühlte mich z.B. unsicher in einer meiner Aufgaben. Dieses Thema habe ich sehr eng mit meiner Führungskraft bearbeitet. Meine Führungskraft hat mir viele Fragen gestellt, um herauszufinden, was das konkrete Problem ist und versucht, mich zu unterstützen: Was bräuchte ich? Was müsste anders sein? Hier haben wir uns konkrete Maßnahmen überlegt, die ich ausprobieren kann. Danach haben wir uns wieder zusammengesetzt und darüber geredet, wie es für mich war und ob es in die richtige Richtung geht.


TB: Was denken Sie, wie eine Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter aussehen muss, damit so etwas funktionieren kann?


JF: Eine Vertrauensbasis ist hier sehr wichtig. Nur dann traue ich mich als Mitarbeiter meine Themen oder Befürchtungen zu äußern. Eine Führungskraft muss dazu auch empathisch sein. Sie muss wahrnehmen können, wenn sich der Mitarbeiter unwohl fühlt oder wenn ein Thema noch nicht abschließend geklärt ist. Eine Führungskraft muss das erkennen. Es ist auch sehr wichtig, dass genug Zeit da ist, damit die Führungskraft das tatsächlich erleben und mitfühlen kann. Es muss die Gelegenheiten für echtes Feedback geben, damit die Führungskraft dazu auch Beispiele nennen kann. Insgesamt muss die Führungskraft sehr nah an der Realität und dem Alltag des Mitarbeiters sein.

 

TB: Die Anforderungen an eine Führungskraft und einen Coach unterscheiden sich teilweise. Haben Sie schon einmal so einen Rollenkonflikt erlebt?


JF: Ich kann verstehen, warum man so etwas denkt. Ich glaube jedoch, dass dies sehr von der Unternehmenskultur abhängt. Bei uns ist es tatsächlich so, dass wir stark kompetenzbasiert arbeiten. Meine Sichtweise ist hier eher: Ich kann nur dann tatsächlich gut werden in meinem Job, wenn ich solche Schwachpunkte oder Themen offen und ehrlich anspreche. Ich habe das Gefühl, dass ich so meiner Führungskraft zeigen kann, dass ich an mir arbeiten möchte und motiviert bin, gut zu werden. Dafür brauche ich aber ihre Hilfe, damit ich das schaffen kann.


TB: Wie entsteht so eine Unternehmenskultur, in der Coaching zum Alltag wird?


JF: Ich glaube das hängt davon ab, welche Werte das Unternehmen vorgibt und welches Verhalten belohnt wird. Bei uns wird Leistung belohnt und das spiegelt sich in verschiedenen Facetten wieder. Dabei zählen nicht nur Zahlen, sondern z.B. auch Außenwirkung, Auftreten und Miteinander. Dabei haben uns unsere vier Unternehmenswerte geholfen: Professionalität, Partnerschaft, Leidenschaft und Integrität. Da ist das Partnerschaftliche in der Beziehung zu meiner Führungskraft, aber auch die Professionalität und Leidenschaftlichkeit mit dem Anspruch, nicht nur gut zu sein, sondern besser zu werden. Da jeder diesen Willen hat, an sich zu arbeiten, unterstützt dies eine coachingorientierte Unternehmenskultur. Nicht zuletzt ist es auch eine Frage, wie die eigenen Führungskräfte entwickelt werden. Eine Führungskräfteausbildung muss hier die Handschrift des Unternehmens tragen. Wir haben sogar ein Pflichtmodul, wo es nur um solche Themen geht: Wie kann ich meine Mitarbeiter weiterentwickeln? Führung heißt bei uns sehr häufig auch Personalentwicklung.


TB: Gibt es auch Coachingsituationen, die sich nicht zwischen Mitarbeiter und Führungskraft, sondern z.B. zwischen Kollegen abspielen?


JF: In der Tat, das haben wir vor allem bei neuen Mitarbeitern. Im Vertrieb wird jedem neuen Mitarbeiter ein erfahrener Pate zur Seite gestellt. Dieser begleitet den neuen Mitarbeiter in den ersten drei bis vier Monaten sehr eng, ist fachlicher Ansprechpartner und gibt z.B. Feedback zu den ersten Kundengesprächen, die er selber führt.


TB: Eine letzte Frage: Was würden Sie einer Führungskraft abschließend raten, die ihre Mitarbeiter gern coachen möchte?


JF: Ich finde Zuhören ganz wichtig. Dazu gehört es, viele offene Fragen zu stellen und der Wille, sich unvoreingenommen und ehrlich auf die Welt des Mitarbeiters einzulassen. Immer zu hinterfragen und auch im weiteren Arbeiten dran zu bleiben, zu wissen, was den Mitarbeiter bewegt. All diese Dinge sind Grundlage für ein gelungenes Coaching. Im Rahmen des Coachings würde ich einer Führungskraft auch empfehlen, auf ihren Bauch zu hören. Ich glaube, das ist ein Thema, bei dem man sich nicht zu sehr verkopfen sollte. Wie würde ich in so einer Situation reagieren? Was kann ich dem Mitarbeiter hier weitergeben? So kann man möglichst lebensnah, ehrlich, offen und vor allem authentisch coachen. Mir bringt eine Lehrbuchlösung nichts, ich möchte hier die offene und ehrliche Meinung hören und von den Erfahrungswerten meiner Führungskraft profitieren.

 

TB: Danke für das interessante Gespräch und die neuen Denkanstöße!

Das Interview führte: Tamaris Böttcher
Das Interview führte: Tamaris Böttcher

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