Wer fragt führt - Teil 2

Im systemischen Coaching spielen Fragen eine ganz besonders große Rolle. Das hat unter anderem damit zu tun, dass „wir Systemiker“ davon ausgehen, dass unsere Coachees die Lösung im Grunde selber kennen. Diese Haltung wird durch eine Lehrgeschichte von Milton Erickson sehr gut beschrieben. Erickson war ein berühmter Therapeut, der großen Einfluss auf den systemischen, lösungsfokussierten Ansatz hatte. Milton Erickson ist in Amerika auf dem Lande aufgewachsen und viele seiner Lehrgeschichten sind auch dort angesiedelt.

Die Lehrgeschichte vom durchgegangenen Pferd

 

Eines Tages kam ich aus der Schule, als ein durchgegangenes Pferd mit schleifenden Zügeln an uns vorbei - und in einen Bauernhof hinein galoppierte. Es suchte Wasser zum Trinken und schwitzte sehr stark.
Der Bauer kannte es nicht, deshalb trieben wir es in eine Ecke. Ich schwang mich auf seinen Rücken und da es noch aufgezäumt war, nahm ich die Zügel in die Hand und rief: "Hüh" und ritt zur Straße. Ich wusste, das Pferd würde die richtige Richtung einschlagen - ich wusste ja nicht, was die richtige Richtung war.
Das Pferd trottete und trabte die Straße entlang. Dann und wann vergaß es, dass es auf der Straße war, und wollte ins Feld laufen. Also zog ich am Zügel und machte es darauf aufmerksam, dass es auf der Straße zu bleiben hätte.
Etwa vier Meilen von dem Ort, wo ich aufgesessen war, lief es in einen Bauernhof, und der Bauer sagte: "Aha, so kommt der Kerl also zurück. Wo hast du ihn gefunden?" Ich sagte: "Etwa vier Meilen von hier". "Und woher hast du gewusst, dass er hierher gehört?"
Ich sagte: "Ich wusste es nicht, das Pferd wusste es. Ich habe einfach nur seine Aufmerksamkeit auf die Straße gelenkt.

 

Milton Erickson

 

Durch Fragen die Aufmerksamkeit vom Problem auf die Lösung lenken

 

Wer in Schwierigkeiten steckt, ist häufig auf die Problemsicht fokussiert und sieht seine Fähigkeiten nicht mehr. In der Coachrolle gilt es daher, eine lösungs- und ressourcenorientierten Haltung einzunehmen und die Aufmerksamkeit des Mitarbeiters wieder umzulenken und die positiven Ressourcen in den Fokus zu nehmen. Das geschieht  mit Hilfe von klugen Fragen. In der systemischen Coachingausbildung spielt das Thema „Richtig Fragen“ eine große Rolle, ich habe in meiner Ausbildung ganze Tage damit verbracht … Wer erfahren genug ist, kann auch sehr spezielle Frageformen, wie etwa die bekannte „ Wunderfrage“  mit Gewinn im Coaching einsetzen. Bei der Wunderfrage stellt sich der Coachee vor, dass, sozusagen über Nacht, ein Wunder geschehen ist und  alle seine Probleme gelöst sind. Der Coach erfragt nun, woran er das als erstes erkennen würde, was noch alles anders wäre … Aber bitte überlassen Sie so etwas  den Profis! Mir ist eindrücklich in Erinnerung, wie ein Coachee, ein sehr analytischer und faktenorientierter Ingenieur, mir kopfschüttelnd erzählt hat, dass sein Chef ihn gefragt hat: „Wenn jetzt eine Fee käme und du hättest drei Wünsche offen, welche wären das?“ Mein Coachee sagte dazu: „Ich hatte wirklich Schwierigkeiten, das ernst zu nehmen. Soll mir jetzt eine Fee dabei helfen, meine Qualitätsprobleme in der Montage zu lösen? Spätestens da wurde mir  klar, dass ich einen professionellen Coach brauche!“

 

 

Zehn Beispielfragen für ein lösungsorientiertes Coachinggespräch

  1. Woran würden Sie konkret merken, dass das Thema XY gut läuft?
  2. Was machen Sie anders, wie sieht die Gesamtsituation anders aus – konkret?
  3. Woran würden andere merken, dass das Thema gut läuft?
  4. Was könnte evtl. Unangenehmes da sein, auftauchen, wenn das Problem gelöst ist? Und wie könnten Sie es schaffen, damit umzugehen?
  5. Welche Ihrer Fähigkeiten haben Sie bisher eingesetzt, um das Problem zu lösen?
  6. Welche Versuche haben Sie bereits unternommen? Was war dabei bisher hilfreich –    was nicht?
  7. Was  müssten Sie tun, um die Lage noch zu verschlimmern (Kopfstandmethode)?
  8. Was blockiert die Lösung bislang? Welche Hindernisse gibt es?
  9. Was könnten erste, kleine, gangbare Schritte zur Lösung, zum Ziel sein?
  10. Bis wann könnten Sie, einen solchen kleinen Schritt versuchen? Wer oder was könnten Sie dabei unterstützen?

 

Ach ja, und da war doch noch was …

 

Vielleicht haben Sie beim letzten Beitrag Gedanken gemacht, wie die geschlossenen Fragen in offene W-Fragen umformuliert werden können. Im Folgenden finden Sie mögliche „Lösungen“:

 

Machen Sie Ihre Arbeit gerne?

Offene Frage:

Wie geht es Ihnen (derzeit) mit Ihrer Arbeit?

 

Geht es Ihnen gut?

Offene Frage:

Wie geht es Ihnen?

 

Werden Sie an dem Workshop teilnehmen?

Offene Frage:

Wie sehen Ihre Pläne im Hinblick auf den Workshop aus?

 

Ist die neue Raumsituation ein Problem für Sie?

Offene Frage:

Wie fühlen Sie sich in der neuen Situation?

 

Fragen Sie nach Hilfe?

Offene Frage:

Was machen Sie, wenn Sie einmal nicht weiterwissen?

Wie läuft es ab, wenn Sie in einer Situation oder mit einem Problem nicht weiterkommen?

 

Haben Sie Probleme mit der neuen Situation?

Offene Frage:

Wie kommen Sie mit dieser neuen Situation zurecht?

Wie fühlen Sie sich in der neuen Situation?

 

Haben Sie Schwierigkeiten damit, diese Probleme zu lösen?

Offene Frage:

Wie gehen Sie dieses Problem an?

Wie gut können Sie dieses Problem lösen?

 

Sie wissen was passiert, wenn das Projekt nicht fristgerecht abgegeben wird?

Offene Frage:

Was denken Sie wird passieren, wenn Sie das Projekt nicht fristgerecht abgeben?

 

Haben Sie noch Fragen?

Offene Frage:

Was würden Sie sonst gerne noch wissen?

 

Die Autorin: Dr. Karin von Schumann
Die Autorin: Dr. Karin von Schumann

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Kommentare: 3
  • #1

    Providencia Dahle (Donnerstag, 02 Februar 2017 21:44)


    Great article.

  • #2

    Lindsey Napoli (Freitag, 03 Februar 2017 00:35)


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