Karin von Schumann im Interview mit Michael Ulverich

Michael Ulverich - Senior Vice President, Head of Production, Truck MAN Truck & Bus AG
Michael Ulverich - Senior Vice President, Head of Production, Truck MAN Truck & Bus AG

Interview mit Michael Ulverich

Senior Vice President

Head of Production Truck

MAN Truck & Bus AG

 

KS:  Herr Ulverich, wir kennen uns nun schon viele Jahre und ich weiß, dass Sie Ihre Mitarbeiter individuell – und äußerst erfolgreich - fördern und entwickeln. Was ist Ihrer Erfahrung nach wichtig, damit Coaching durch die Führungskraft gelingen kann?

 

MU: Es muss eine Vertrauensbasis auf beiden Seiten da sein und es gilt eine Gesprächsatmosphäre  zu erzeugen, in der man ganz automatisch auch mal auf Aspekte um die Arbeit, den Arbeitsprozess herum zu sprechen kommt. Beispielsweise ist meiner Erfahrung nach ein schlechtes Arbeitsergebnis nur selten darauf zurückzuführen, dass der Mitarbeiter nicht will, sprich nicht motiviert ist. Schon ganz zu Anfang meiner Karriere ist mir aufgefallen, dass im Gegenteil vielfach Probleme aus dem Privaten dahinterstecken. Dies hat mir gezeigt, dass die Frage „Wie erreiche ich ein gutes Ergebnis?“ oft sehr komplex ist.

 

KS: Vertrauen ist also die Basis eines coachenden Führungsstils und die Voraussetzung dafür, wirklich gute Ergebnisse erzielen. Wie entsteht solch ein Vertrauensverhältnis?

 

MU: Das ist zum Einen eine Frage der Zeit, denn Vertrauen muss wachsen. Und ich brauche auch eine gewisse Zeit, in der ich mit dem Mitarbeiter zusammengearbeitet habe, ihn beobachten konnte. Sonst wäre es entweder anmaßend, diesen schon coachen zu wollen oder aber ich würde den anderen in ein Schema pressen und ihm damit nicht gerecht werden. Damit der Mitarbeiter sich für ein Coaching öffnet, muss er auch merken, dass ich mich wirklich interessiere, also ein Stück weit in ihn reindenke und reinfühle.

 

KS: Empathiefähigkeit ist also wichtig, um als Chef coachen zu können. Was noch?

 

MU: Ich muss mein eigenes Haus bestellt haben, d.h. mit mir im Reinen sein, meine Stärken und Schwächen kennen und dazu stehen. Weiterhin braucht es Mut, sich dem Mitarbeiter so zu nähern und die Bereitschaft, auch ein Stück von sich Preis geben „Schau mal, mir geht es doch genauso“. Und ich muss in der Lage sein, emotionale Wärme zu erzeugen – also Energie abgeben, etwas Positives ausstrahlen können. Dazu sollte in erster Linie mein eigener Energiehaushalt stimmen. Wenn der Speicher bei mir selber voll läuft, werde ich nicht gut coachen können!

 

KS: Im Zusammenhang mit Coaching als Führungsstil ist auch Rollenflexibilität notwendig, also die Fähigkeit, zwischen der Vorgesetzten- und der Coachrolle zu wechseln. Wie halten Sie das?

 

MU: Ich sehe das eigentlich nicht so – warum kann ich nicht ein vertrauensvolles und wertschätzendes Verhältnis zum Mitarbeiter haben, aus dem heraus ich auch coachen kann? Qua Hierarchie bin ich der Chef, das ist klar und ich meine, dass ich auch aus dieser Position heraus coachen kann, wenn der Mitarbeiter das akzeptiert.

 

KS: Wo sehen Sie in Ihrem Umfeld immer wieder die Notwendigkeit zum Coachen?

 

MU: In dem Umfeld, in dem wir uns bewegen, also Automobilproduktion, gibt es ganz typische Ebenenkonflikte: Menschen, die das Produkt berühren auf der einen Seite und auf der andere Seite Menschen, die diese Prozesse sehr abstrakt durchdenken, auf einem ganz anderen Level. Es treffen also Meister auf Ingenieure, trifft Pragmatismus auf Denken in Prozessen. Da gibt es traditionell Konflikte, die sich heute sogar eher noch verschärfen, Stichwort Wertewandel. Für Kollegen, die aus der Praxis kommen, sind klassische Werte noch wichtig, für den typischen jungen Ingenieur eher nicht mehr. Ein ganz einfaches Beispiel dazu: Der junge Ingenieur gibt vielleicht nicht mehr die Hand, die emotionale Botschaft dieser Geste fehlt jedoch dem Meister. Auf der Shopfloorebene ist emotionale Führung enorm wichtig. Hier kann man z. B. junge Ingenieur sehr gut coachen.

 

KS: Was vermitteln Sie in diesen Coachings?

 

MU: Ich arbeite mit einem ganz einfachen, aber sehr einleuchtenden Farbenmodell. Auf der Shopfloorebene sind rote Persönlichkeiten: Menschen, die sagen, wie es zu funktionieren hat – klare, durchsetzungswillige Führungskräfte. Ingenieure dagegen sind blau, sehr durchdefiniert, prozessorientiert. Ich habe meinen Ingenieuren immer vermittelt, wie wichtig die persönliche Anspache auf dem Shopfloor ist: „Du must nur ganz wenige Dinge tun, gemeinsam Frühstücken oder Mittagessen gehen!“ Oder man diskutiert Fragen wie: „Darf ich duzen?“  - was übringes auf dieser Ebene längst nicht so wichtig ist, wie manche denken. Eine Führungskraft in der Produktion wird allein danach bewertet: Was kann der für die Gruppe lösen, was kriegt er umgesetzt?  Da gibt sogenannte „Moments of Truth“, die muss man erkennen und richtig nutzen, dann hat man alle hinter sich.

 

KS: Führungskräfte prägen die Unternehmenskultur und wir sprechen heute oft über eine “Coachingkultur“. Wie könnte man dahin kommen? Sehen Sie das als realistisch an?

 

MU: Im Hinblick auf Unternehmenskultur bin ich von einem evolutionären Modell überzeugt, d.h. es gibt unterschiedliche Reifegrade oder Entwicklungsstufen. Ist ein hoher Reifegrad, nämlich der der Erfolgsorientierung erreicht, dann werden wir gemeinsam die Themen so bearbeiten, dass wir letztlich zum Erfolg kommen. Und gegenseitiges Feedback und kollegiales Coaching sind dann ein wichtiger Beitrag zu diesem Erfolg. Eine solchermaßen reife, erfolgsorientierten Unternehmenskultur können Sie somit auch als Coachingkultur bezeichnen. Um dahin zu kommen, ist ein kontinuierlicher Entwicklungprozess notwendig, das dauert seine Zeit, aber daran arbeiten wir. Und, ganz wichtig:  Es geht nicht darum, dass alle sich lieb haben, sondern dass man zusammen erfolgreich ist.

 

KS: Eine letzte Frage noch, Herr Ulverich: Was ist für Sie ganz persönlich die größte Herausforderung beim Mitarbeitercoaching?

 

MU: Einfach zuhören, das fällt mir gehörig schwer. Ich lasse mir immer eine Tasse Tee dazu bringen, das entspannt  mich, da bleiben die Hände schön warm – die könnten ja sonst kalt werden, wenn ich gefühlt nichts tue ...(lacht).

 

KS: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Autorin: Dr. Karin von Schumann
Die Autorin: Dr. Karin von Schumann
Die Autorin: Dr. Karin von Schumann
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