Führungskraft und Coach  - Rollenkonflikt vorprogrammiert? So entwickeln Sie ein professionelle Rollenverständnis

„Wenn ich heute selber meine Mitarbeiter coache, erinnere ich mich oft und gerne an die vielen Gespräche, die meine frühere Chefin, meist gegen Abend, wenn es ruhiger wurde, mit mir geführt hat. Eigentlich hat sie mir vor allem gut zugehört und die richtigen Fragen gestellt. Dass sie sich die Zeit für mich genommen war einfach toll! Die Gespräche hat sie immer folgendermaßen eingeleitet: „Hallo Pia, wie geht’s dir? Lust auf einen grünen Tee? Sie hatte schon zwei dampfende Tassen in der Hand und durch dieses Ritual war klar, dass es jetzt um mich und die Themen, die mich beschäftigten, ging. Und dass das Ganze freiwillig war, ich also mich auch nur für den Tee bedanken konnte und sagen, dass es heute nicht so passt.

 

Für den gecoachten Mitarbeiter und ebenso für die coachende Führungskraft kann es hilfreich sein, den Wechsel in die Coachrolle mit Hilfe von Übergangsritualen deutlich zu machen. Mit Übergangsritualen sind Strategien gemeint, die die Bewegung von einer zur anderen Rolle erleichtern und auch verdeutlichen. Und die – das kennzeichnet ja Rituale – ähnlich ablaufen. Diese sogenannten Abgrenzungs- und Integrationsstrategien können kommunikativer, räumlich-gegenständlicher oder auch zeitlicher Natur sein. So kann man etwa eine kurze Pause einlegen oder gemeinsam mit dem Mitarbeiter einen Kaffee trinken, bevor die Coachingsession gestartet wird. Ebenfalls bewährt hat es sich, einen Raum- oder Platzwechsel mit dem Rollenwechsel zu verbinden. Manche Führungskräfte reservieren sich bestimmte Zeiten, z. B. die letzte halbe Stunde, bevor sie das Büro verlassen. In dieser Zeit steht ihre Tür offen, sie legen vielleicht noch ihre Anzug- oder Kostümjacke ab und die Mitarbeiter wissen, dass sie jetzt ohne Termin mit persönlichen Anliegen vorbeikommen können. Welche Abgrenzungsstrategie Sie persönlich wählen, liegt bei Ihnen, wichtig ist, dass diese zu Ihnen und Ihrem Arbeitsumfeld passen. Und dass Sie es Ihnen erleichtern, ein wenig zu entspannen und in den „Coachingmodus“ zu wechseln. Die Frage ist also: Wie oder was entspannt Sie? Was sind für Sie gute Voraussetzungen für ein entspanntes Gespräch? Und wie könnten Sie Ihrem Mitarbeiter – ganz subtil – das Zeichen geben: „Jetzt habe ich einen anderen Hut auf.“

Positives Rollenbild als Orientierungshilfe

Von seiner eigenen Führungskraft gut gecoacht zu werden, also über ein positives Vorbild zu verfügen, ist eine hervorragende Voraussetzung dafür, selbst einen coachingorientierten Führungsstil zu entwickeln. Aber natürlich hat nicht jeder dieses Privileg genossen. Umso wichtiger ist es dann, ein klares Rollenverständnis zu entwickeln, d.h. sich die Anforderungen und Erwartungen, die mit der Führungs-  und Coachrolle verbunden sind, klar zu machen. Denn die beiden Rollen sind  z. T. unterschiedlich und manchmal auch widersprüchlich. Der Coach vertritt eine neutrale Position sowie Sicht der Dinge und  kommuniziert auf Augenhöhe. Als Vorgesetzter ist man natürlich nicht neutral, es besteht ein hierarchisches Gefälle in der Beziehung und die Beurteilung des Mitarbeiters ist eine zentrale Aufgabe. Dadurch sind dem Mitarbeitercoaching Grenzen gesetzt, innerhalb derer jedoch sehr viel möglich ist! Ein weiterer, potentieller Widerspruch liegt in der Weisungsbefugnis des Vorgesetzten versus der Freiwilligkeit der Coachingbeziehung. Ein Beispiel dafür, wie sich dieser Gegensatz geschickt und einfühlsam auflösen lässt: Pias Chefin hat ihr stets die Wahl gelassen, ob sie ein Coachinggespräch führen oder „nur Teetrinken“ möchte. Weniger leicht aufzulösen ist das Spannungsfeld zwischen der Anforderung an eine Führungskraft, die Unternehmensziele zu vertreten und der Tatsache, dass im Coaching die Ziele und Anliegen des Coachees im Zentrum stehen. Hier kann die coachende Führungskraft in der Tat in einen klassischen Rollenkonflikt geraten, d.h.  Anforderungen gegenüberstehen, in welcher die beiden Rollen nicht oder nur schwer vereinbar sind. Rollenkonflikte führen zu subjektivem Unwohlsein und dem Gefühl, es eigentlich nur falsch machen zu können.

 

Rollenkonflikte erkennen und lösen

Michael S. schildert das so: „Mit meinem jüngsten Mitarbeiter Max, einem echten High-Potential, führe ich regelmäßige Coachinggespräche. Er hat sich das ausdrücklich von mir gewünscht und ich mache das auch sehr gerne, doch jetzt ist eine wirklich unangenehme Situation für mich entstanden. Anfänglich ging es im Coaching darum, wie er möglichst schnell den nächsten Entwicklungsschritt machen kann, doch jetzt hat sich seine persönliche Situation gravierend verändert und er hat mir sehr vertrauliche Informationen gegeben, verbunden mit dem Wunsch, mittelfristig bei mir im Team und unbedingt am Standort bleiben zu wollen. Ich kann seine Gründe gut nachvollziehen und möchte ihn auch gerne behalten, gleichzeitig bin ich von der Geschäftsleitung aufgefordert worden, ihn für ein internationales Projekt in China freizugeben und ihm das auch mitzuteilen.“

 

 

Hier handelt es sich um einen Inter-Sender-Konflikt, der sich dadurch auszeichnet, dass zwei Rollensender – der Mitarbeiter Max und die Geschäftsleitung – unvereinbare Forderungen an den Rollenträger, also die coachende Führungskraft, stellen. Von einem Inter-Rollenkonflikt spricht man, wenn ein Rollenträger verschiedene, miteinander unvereinbare Rollen zu erfüllen hat. Ein Beispiel hierfür wäre die Situation einer Führungskraft, die kurzfristig die Gelegenheit erhält,an einem interessanten Workshop teilzunehmen,  dieser sich jedoch mit dem Jour fixe des Mitarbeiters überschneidet, dem er Feedback zu einem wichtigen Thema angeboten hatte. Selbstverständlich lassen sich diese Konflikte nicht gänzlich vermeiden und sind im Grunde eine Sonderform der für Führungskräfte charakteristischen Sandwichposition zwischen Unternehmensinteressen und Mitarbeiterbedürfnissen. Ein erster Lösungsschritt in solchen Situationen besteht in der Reflexion dieser unterschiedlichen Anforderungen, um dadurch Rollenklarheit zu erlangen. Dies ist eine Voraussetzung dafür, für sich eine bewusste Entscheidung zu treffen und diese adäquat kommunizieren zu können.

Die Autorin - Dr. Karin von Schumann
Die Autorin - Dr. Karin von Schumann

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